32. Seminar zur österreichischen Gegenwartsliteratur in Japan
オーストリア現代文学ゼミナール
28. Oktober 2023
Sophia Universität, Tokio
Mit Milena Michiko Flašar
Milena Michiko Flašar

Gast des 32. Seminars zur österreichischen Gegenwartsliteratur in Japan ist eine Weltenwanderin im wahrsten Sinn des Wortes: Milena Michiko Flašar ist eine österreichisch-japanische Autorin, die mit ihrem 2012 erschienenen und in viele Sprachen übersetzten Roman Ich nannte ihn Krawatte den internationalen Durchbruch schaffte. Die wunderbare japanische Übersetzung stammt von Sekiguchi Hiroaki und ist unter dem Titel『ぼくとネクタイさん』2018 von Ikubundo verlegt worden. In diesem Frühjahr hat Milena Michiko Flašar ihr insgesamt fünftes Buch vorgelegt, den Roman Oben Erde, unten Himmel. Die Autorin ist bekannt dafür, sich auf hohem sprachlichen Niveau mit zwischenmenschlichen Beziehungen und menschlichen Emotionen zu beschäftigen. Die Handlung ihrer Bücher ist meist in Japan angesiedelt, von wo die Autorin auch den Großteil ihrer Themen bezieht: Hikikomori, Retired Husband Syndrome und Kodokushi mögen hier stellvertretend für eine Vielzahl anderer Begriffe stehen, mit denen sich Milena Michiko Flašar beschäftigt. Gemein ist ihren auf Deutsch geschriebenen Büchern, dass sie alle ein Glossar enthalten, in dem die jeweilige Begrifflichkeit erläutert wird.

„Wir springen ein, wo man uns braucht, und ersetzen den eigentlichen Darsteller, denn auch der, den wir spielen, stellt sich die meiste Zeit dar und ist somit ein Schauspieler. Ja, es gibt Leute, die sind noch im Schlaf nicht sie selbst. Beklemmend, oder?“

Flašars Werke zeichnen sich durch ihre Kleinteiligkeit, ihren intimen Rahmen sowie einen poetischen Schreibstil aus und behandeln oft Themen wie Einsamkeit in einer auf Leistung getrimmten Massengesellschaft, die Fallen der Identitätssuche und das Verlangen nach Verbundenheit. Flašar gilt als eine Autorin, die mit hoher Sensibilität und Einfühlsamkeit sowie einem Sinn für poetische Stilisierung das Innenleben ihrer Figuren einfängt. Die aus ihren Erkundungen an den Rändern der japanischen und österreichischen Gesellschaft resultierenden Texte sind glaubhaft, präzise, psychologisch stimmig, authentisch und mit einem Sinn sowohl für das große Drama der menschlichen Existenz als auch für ihre kauzigen Seiten begabt. Dass sie dabei auch viele soziale und semantische Codes aus Japan (wie zum Beispiel das allgegenwärtige Kindchenschema) mitübernimmt, versteht sich von selbst.

Was das Japan- und Österreich-Bild in den Texten von Milena Michiko Flašar betrifft, so ist es wichtig anzumerken, dass ihre Werke bisweilen deutlich von ihrem eigenen biografischen Hintergrund beeinflusst sind. Flašar wurde in Österreich geboren und lebte zeitweise auch in Japan. Dieser persönliche Bezug spiegelt sich in ihren Romanen wider, in denen sie Themen wie Identität, Fremdheit und die Beziehung zwischen unterschiedlichen Kulturen erkundet. Folgt man der Japanologin Lisette Gebhardt, so sind Flašars Texte in einem Modus geschrieben, den Gebhardt J-Mode nennt und der im Idealfall einen geschützten erzählerischen Raum eröffnet, in welchem beispielsweise Rollenspiele ausprobiert werden können, die in europäischen Kostümen (noch) ein wenig befremdlich wirken könnten. Steigerung der poetischen Glaubwürdigkeit mittels Japanisierung? Dieses Konzept kommt natürlich nicht ohne Widersprüche aus, die während des Seminars diskutiert werden sollen.

In Bezug auf das Japan-Bild in ihren Texten scheint Flašar sowohl die faszinierende und ästhetische Seite Japans als auch die Schattenseiten der japanischen Gesellschaft einzufangen. Sie zeigt ein tiefes Verständnis für die japanische Kultur und Tradition, aber auch für die Einsamkeit und Isolation, die oft mit dem Leben im japanischen Turbokapitalismus einhergehen können. Vielfältig sind die Einflüsse, auf die man in Flašars Texten stößt, von Frannz Kafka bis Miyazawa Kenji, Yoshimoto Banana und Murakami Haruki sowie von Edgar Honetschlägers Film Milk bis hin zu den Werken des sozialkritischen japanischen Regisseurs Koreeda Hirokazu.

Das Seminar findet am 28. Oktober (Sa) von 10h00 bis 17h30 an der Sophia Universität (Raum 503, Gebäude 6) in Tokyo statt.

Anmeldung

Um Anmeldung wird gebeten: https://forms.gle/2jmHRc3KA1L3z1HJA

Werke

  • Oben Erde, unten Himmel, Verlag Klaus Wagenbach, 2023
  • Herr Katō spielt Familie, Verlag Klaus Wagenbach, 2018
  • 『ぼくとネクタイさん』(übersetzt von Sekiguchi Hiroaki), Verlag Ikubundo, Tokyo 2018
  • Ich nannte ihn Krawatte, Verlag Klaus Wagenbach, 2012
  • Okaasan – Meine unbekannte Mutter, Residenz Verlag, 2010
  • [Ich bin] Residenz Verlag, 2008
  • Zahlreiche Publikationen in Anthologien.

Preise

  • Förderungspreis für Wissenschaft und Kunst der Stadt St. Pölten, 2021
  • Anerkennungspreis des Landes NÖ, 2018
  • Nominierung für den Österreichischen Buchpreis, Shortlist 2018
  • Nominierung für den Prix littéraire des jeunes Européens 2016
  • Nominierung der niederländischen Übersetzung für den dioraphte Literaturpreis 2015
  • Euregio Schülerliteraturpreis 2015
  • Alpha-Literaturpreis 2012
  • Nominierung für den Deutschen Buchpreis, Longlist 2012
  • Nominierung für den Klaus-Michael-Kühne-Preis 2010
  • Poetry Slam des Diskokombinats 2004 – 1. Platz
  • 3. Litarena Litges Lounge 2004 – 1. Platz
  • Litarena-Literaturpreis 2003 – 3. Platz

Weblinks

Eine Fülle von Informationen findet sich auf der Homepage der Autorin: https://www.milenaflasar.com/

Literatur von und über Milena Michiko Flašar im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Milena_Michiko_Flašar

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